Interview mit PD Dr. Brigitte Uebelhart

«Wichtig für die Prävention der Osteoporose ist eine bewusste und gesunde Lebensführung» 



PD Dr. med. Brigitte Uebelhart,
Fachärztin FMH Rheumatologie,
Sprechstunde für Knochenerkrankungen,
Universitätsspital Genf (HUG)

Wie äussert sich eine Osteoporose und wie kann man sie diagnostizieren?

Die Osteoporose ist eine schleichende Erkrankung, die per se keine Symptome verursacht. Das heisst, der Knochenschwund selbst ist (leider) nicht spürbar. Es gibt zwei Möglichkeiten, um eine Osteoporose festzustellen. Sie kann mit Hilfe der sogenannten Osteodensitometrie, einer strahlungsarmen Röntgenmethode zur Messung der Knochendichte, diagnostiziert werden. Diese Methode ist auch als DEXA- oder DXA-Test bekannt; der resultierende Messwert ist der „T-Score“. Liegt dieser Wert unterhalb eines bestimmten, von der WHO festgelegten Grenzwertes, gilt das Vorliegen einer Osteoporose als medizinisch gesichert. Als Vorsorgeuntersuchung empfohlen werden DEXA-Tests typischerweise bei Patientinnen im Alter von ca. 50 Jahren, die sich wegen des erfolgten Eintritts in die Menopause Sorgen um ihre Knochengesundheit machen. Es gibt jedoch auch Gynäkologen, die für eine systematische Abklärung bei allen Patientinnen ab einem gewissen Alter plädieren. Da aber die Hausärzte die Vorgeschichte ihrer Patienten bezüglich Erkrankungen und der verordneten Medikamente am besten kennen, setzen sich auch diese immer häufiger für eine Früherkennung der Osteoporose ein.

Ausser im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen wird eine Osteoporose häufig auch bei der diagnostischen Abklärung von Knochenbrüchen oder von Rückenschmerzen festgestellt.

 

Warum ist die Osteoporose eine ernstzunehmende Erkrankung?

Die Osteoporose ist vor allem wegen der schwerwiegenden Folgen – durch die Knochenbrüche selbst sowie aufgrund möglicher Komplikationen im Zuge der operativen Behandlung der Brüche – eine problematische Erkrankung. Nicht selten haben die Knochenbrüche schwerwiegende Konsequenzen wie anhaltende Schmerzen, Einschränkungen der Mobilität oder den Verlust der Selbstständigkeit.

Kann Osteoporose auch jüngere Menschen treffen? Gibt es Bevölkerungsgruppen, die besonders gefährdet bzw. anfällig sind? 

Die grosse Mehrheit der Osteoporose-Patienten sind Frauen in und nach der Menopause. Da der Östrogenspiegel bei Frauen in der Menopause absinkt, nimmt auch der schützende Effekt des Östrogens auf den Knochen ab. In der Folge schreitet der Verlust der Knochendichte schneller voran. Zusätzlich existieren weitere Risikofaktoren, die zu einem frühzeitigen Knochenverlust führen können. Dazu gehören unter anderem diverse Erkrankungen oder Störungen des Hormonsystems wie zum Beispiel eine Schilddrüsenüberfunktion oder chronische Darmerkrankungen. Auch gewisse Medikamente können den Knochenabbau forcieren, allen voran Kortisonpräparate. Einen stark negativen Effekt auf die Knochengesundheit haben auch das Immunsystem unterdrückende Therapien, eine Reihe von Chemotherapien sowie sogenannte Aromatase-Hemmer, bestimmte Medikamente zur Behandlung von Brustkrebs. 

Was sind die Anzeichen / Symptome einer Osteoporose?

Es ist sehr wichtig zu erwähnen, dass die Krankheit schleichend fortschreitet und meist unbemerkt bleibt, bis Komplikationen in Form von Knochenbrüchen aufgrund der geringen Knochendichte auftreten. Ausser den Knochenbrüchen gibt es leider keine weiteren Anzeichen für Osteoporose.

Beim Stichwort „Osteoporose“ stellt man sich meist Frauen mit einem krummen Rücken und einer gebückten Haltung vor. Ist das typisch?

Ja und nein. Ein krummer Rücken kann infolge einer Osteoporose entstehen, aber auch von anderen Knochenerkrankungen wie einer Kyphoskoliose herrühren. Bei der Osteoporose werden die Krümmung des Rückens und der damit einhergehende Grössenverlust durch Wirbelkörperbrüche ausgelöst. Bei der Kyphoskoliose handelt es sich dagegen um eine angeborene Knochenfehlbildung, die zu einer Verkrümmung der Wirbelsäule führt. Deshalb hat jemand mit einer gebückten Haltung nicht zwingend Osteoporose.

Stimmt es, dass auch Männer an Osteoporose erkranken können?

Männer können wie Frauen aufgrund der gleichen Krankheiten und Medikamente an Osteoporose erkranken. Jedoch tritt die Osteoporose bei Männern häufiger in Zusammenhang mit ungesunden Angewohnheiten (Alkohol, Tabak etc.) auf als bei Frauen. Bei Männern tritt die Osteoporose erst im höheren Alter auf, da bei ihnen kein vergleichbarer Faktor, wie bei Frauen die Menopause, besteht, der Einfluss auf die Knochengesundheit hat. Weltweit erleidet jede zweite bis dritte Frau ab dem Alter von 50 Jahren bis zum Lebensende mindestens einen Knochenbruch. Bei Männern ist es etwa jeder vierte bis fünfte. Obwohl insgesamt etwas weniger Männer betroffen zu sein scheinen, sollte man diese Bevölkerungsgruppe im Sinne der allgemeinen Gesundheitsvorsorge nicht vernachlässigen.

Mit welchen Massnahmen lässt sich eine Osteoporose vorbeugen? 

Ganz wichtig für die Prävention der Osteoporose ist eine bewusste Lebensführung bzw. ein gesunder Lebensstil. Dazu gehört der Verzicht auf exzessiven Alkoholkonsum sowie aufs Rauchen. Wichtig ist vor allem eine calcium- und proteinreiche Ernährung, aber auch genügend Vitamin D. Ein weiterer wichtiger Baustein der Osteoporose-Vorbeugung ist eine sportliche Aktivität mit ausreichender mechanischer Belastung der Knochen. In diesem Zusammenhang sind Gehen, Joggen oder Tennis spielen, aufgrund der stärkeren Belastung des Gesamtskeletts, Sportarten wie Velofahren oder Schwimmen vorzuziehen.

Kann man den Prozess der Osteoporose, nachdem der erste Knochenbruch aufgetreten ist, noch umkehren?

Umkehren oder rückgängig machen kann man die Osteoporose nicht. Nichtsdestotrotz kann man Osteoporose behandeln, indem man den Knochenverlust selbst in einem fortgeschrittenen Stadium noch verlangsamen oder ganz aufhalten kann. Es gibt spezifische Medikamente, die durch Einwirkung auf bestimmte Knochenzellen den Abbau von Knochenmasse verlangsamen und die Bildung von Knochenmasse anregen.

Eine der mineralischen Hauptsubstanzen der Knochen ist das Calcium. Warum ist aber neben Calcium auch Vitamin D für den Erhalt der Knochengesundheit wichtig?

Dass der Körper pro Tag etwa 1000 mg Calcium benötigt, um die Gesundheit der Knochen zu erhalten, ist inzwischen gut belegt und bekannt. Die Rolle von Vitamin D in Bezug auf die Knochengesundheit ist jedoch noch nicht sehr lange bekannt. Vitamin D wird benötigt, um die Aufnahme und Verwertung des Calciums im Darm überhaupt erst zu ermöglichen. Das heisst, selbst wenn man genügend Milchprodukte zu sich nimmt und damit eine ausreichende Menge an Calcium verzehrt, nützt dies nicht viel ohne genügend Vitamin D. Die Versorgung mit Vitamin D kann allerdings nur zu maximal 10% über die Nahrung sichergestellt werden. Die grösste Rolle spielt das Sonnenlicht, welches die Vitamin D-Produktion in der Haut anregt. Probleme mit zu niedrigen Vitamin D-Spiegeln treten selbst in sonnigen Ländern auf. Deshalb kann es durchaus Sinn machen, den Vitamin D Bedarf mit Supplementen abzudecken.

Was empfehlen Sie Personen, die eine Laktose-Unverträglichkeit haben?

Es gibt ein sehr breites Spektrum von Laktose-Unverträglichkeit. Ich treffe immer wieder Patienten, die absolut keine Milch oder Joghurt vertragen, die aber Käse, vor allem Hartkäse, essen können. Dem kommt zugute, dass Hartkäse im Vergleich zu anderen Milchprodukten einen sehr hohen Calciumgehalt aufweist. Wenn Käse nicht in Frage kommt, gibt es eine Menge laktosefreier Produkte, die ähnlich viel Calcium enthalten wie Milchprodukte. Mögliche Alternativen sind: Wasser mit hohem Mineralgehalt oder Mandeln.

Sollte in der Schweiz aus Ihrer Sicht mehr auf das Thema Osteoporose-Prävention hingewiesen und eingegangen werden und wenn ja, wie?

Bei fast allen Themen herrscht das gleiche Bild bzw. die gleiche Situation vor: Ein gewisser Teil der Bevölkerung ist tendenziell eher überinformiert, der Grossteil dagegen unterinformiert. Vereinigungen wie die Schweizerische Vereinigung gegen die Osteoporose (SVGO) bieten zwar schon sehr viele Informationen an, zum Beispiel an öffentlichen Konferenzen oder in Form von Dokumentationen, welche in Kliniken aufliegen. Die Frage, wie man den unterinformierten Teil der Bevölkerung am besten erreicht, ist nicht ganz leicht zu beantworten. Ich habe bemerkt, dass man immer häufiger im Fernsehen Werbespots zu Themen über altersbedingte Krankheiten (makuläre Degeneration, Hörverlust etc.) sieht. Vielleicht wäre das eine gute Möglichkeit, um die Menschen für das Thema Osteoporose zu sensibilisieren, gerade wenn man Werbespots zielgruppengerecht einsetzt.

Die Internetseite der Osteoporose-Aufklärungskampagne (www.osteoporose-vorsorge.ch) leistet einen sehr wichtigen Beitrag, um Menschen über die Osteoporose zu informieren. Sie soll dazu motivieren, sich aktiv und mit Freude täglich an der Vorbeugung der Osteoporose zu beteiligen. Dies beinhaltet, selber gesund, fit und munter zu bleiben oder Familienangehörige, Freunde und Bekannte zu einem bewussten und gesunden Lebensstil zu motivieren. 

Frau Dr. Uebelhart, vielen Dank für diese sehr spannenden Informationen rund um das Thema Osteoporose!